„Gotteswahn 2009“

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Foto/Montage © Evelin Frerk

DEUTSCHLAND. (hpd) Ein aktiver Säkularer ging vor einigen Jahren aus beruflichen und persönlichen Gründen nach Asien. Aus der Entfernung hat er auf Deutschland im Jahr 2009 geschaut und ist mehr als verwundert, was hier an der Tagesordnung ist. Einige ausgewählte Beispiele belegen es.

 

Ein Jahresrückblick von Matthias Krause

Wer 2007 noch geglaubt hatte, Richard Dawkins und Christopher Hitchens hätten mit ihren Buchtiteln „Der Gotteswahn“ und „Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet“ übertrieben, musste sich dieses Jahr eines Besseren belehren lassen. Als wollten sie Dawkins und Hitchens bestätigen, haben einige kirchliche Würdenträger und einige christliche Politiker die absurdesten Unwahrheiten behauptet und damit weiterhin das gesellschaftliche Klima zu Lasten von Nichtchristen und Atheisten vergiftet.

Was ist „Wahn“?

Zum Begriff: Das deutsche Wiktionary definiert „Wahn“ als „[1] allgemein: falsche Vorstellung, [2] Psychiatrie: ein Wahn ist eine falsche Interpretation der Realität, diese ist unkorrigierbar, der Betroffene hält an seinem Wahn fest“. Auch Richard Dawkins bezieht sich auf eine derartige Definition, nämlich eine „dauerhafte falsche Vorstellung, die trotz starker entgegengesetzter Belege aufrechterhalten wird“. [Der Gotteswahn (Taschenbuch), S. 17-18]

Schulgebet

Im Januar wurde auf Betreiben einer Elterninitiative bekannt, dass das zuständige Schulamt in einer Gemeinschafts-Grundschule in Korschenbroich-Pesch (NRW) das Beten folgender vier Zeilen außerhalb des Religionsunterrichts untersagt hatte, nachdem sich die Eltern eines Kindes dagegen gewandt hatten: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, / erwarten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Dietrich Bonhoeffer hat diese Zeilen in Gestapohaft geschrieben, bevor er wenige Monate später im KZ Flossenbürg von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. (Damit erfüllt das Beten dieser Zeilen an sich schon das Wahnkriterium, denn wer angesichts dieser Umstände behauptet, Bonhoeffer sei „von guten Mächten wunderbar geborgen“ gewesen, der führt entweder den Begriff „gut“ oder den Begriff „mächtig“ ad absurdum – oder beides. Der Text kann daher als Beispiel für eine nicht korrigierbare, falsche Vorstellung gelten.)

Jedenfalls folgte das Schulamt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Schulgebet außerhalb des Religionsunterrichts nur dann zulässig ist, wenn sich Schüler dem in zumutbarer Weise entziehen können – dies sah das Schulamt bei einer so kleinen Grundschule als nicht möglich an.

Es sollte eigentlich jedem einleuchten, dass das Aufsagen der genannten Zeilen für Nichtgläubige unzumutbar ist. Dennoch bildete sich eine Elterninitiative, die die Entscheidung des Schulamtes nunmehr als ein „Verbot von Dietrich Bonhoeffer“ bezeichnete und die Angelegenheit an die Öffentlichkeit brachte. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Lutz Lienenkämper – immerhin Jurist! – hielt die getroffene Entscheidung für „politisch“ falsch und schrieb an NRW-Schulministerin Barbara Sommer: „Die Eltern verstehen zu Recht nicht, wie gerade dieser Bezug aus einem Gedicht von Dietrich Bonhoeffer von der staatlichen Schulaufsichtsbehörde so grundlegend missverstanden werden kann, dass darin ein konfessionelles Schulgebet gesehen wird, welches – wenn überhaupt – in den Religionsunterricht gehöre. Diese Interpretation verrät ein nicht hinzunehmendes Fehlverständnis.“ Ministerin Sommer – offenbar besser mit der Rechtslage vertraut als Rechtsanwalt Lienenkämper – fand zwar auch, es sei „nicht hinzunehmen, dass den restlichen Schülern des Klassenverbandes ein kurzes freiwilliges gemeinsames Gebet vorenthalten wird, wenn diese ein solches Gebet wollen“, erklärte aber auch: “Natürlich darf kein Kind gegen seinen Willen oder dem seiner Eltern zum Schulgebet gezwungen werden. In solchen Fällen hat die Schule dafür Sorge zu tragen, dass dieser Schüler dem Gebet in zumutbarer Weise ausweichen kann.“ Man werde die Schule „beraten und Wege aufzeigen, wie auch zukünftig ein Schulgebet gesprochen werden kann, dem der Schüler, dessen Eltern eine Teilnahme ihres Kindes ablehnen, ausweichen kann“.

Diese Lösung sollte dann so aussehen: Ein Kind, das nicht mitbeten wolle, könne sich ja in der Zeit mit anderen Dingen beschäftigen. Die betroffene Mutter – eine Atheistin, die aus Sachsen nach Nordrhein-Westfalen gezogen war: „Das bedeutet, dass meine Tochter jeden Tag von Neuem aus der Klassengemeinschaft ausgegrenzt wird“. Deswegen schickt sie ihr Kind jetzt auf eine andere Schule.

Schulministerin Sommer erklärte indessen: „Ich freue mich sehr darüber, dass es uns gelungen ist, eine Klärung herbeizuführen“. Schließlich sei die Ehrfurcht vor Gott „eines der wichtigsten Erziehungsziele des Schulgesetzes und der Landesverfassung“.

Mixas Osterpredigt

Eine Gesellschaft ohne Gott“ ist demgegenüber „die Hölle auf Erden“ – jedenfalls nach Ansicht von Bischof Mixa aus Augsburg, der auch katholischer Militärbischof ist. Um diese Behauptung zu untermauern, verwies Mixa in seiner Osterpredigt auf das „gottlose Regime des Nationalsozialismus“.

Allerdings lassen sich die Nazis, die mit der Inschrift „Gott mit uns“ auf dem Koppelschloss in den Krieg zogen – Atheisten waren sowohl in der SS als auch in der NSDAP unerwünscht – unmöglich als „gottlos“ bezeichnen. Die NSDAP vertrat gemäß ihrem Parteiprogramm ein „positives Christentum“.

Die „Gottlosen“ – das waren im Nationalsozialismus die Bolschewisten – die auch von der Kanzel aus bekämpft wurden.

Immerhin: Im Dezember von Schülern auf seine obige Behauptung angesprochen, unterschied Mixa zwischen einem „humanen Atheismus“ und einem „brutalen Atheismus“. Möglicherweise dämmert ihm, dass seine Behauptung nicht haltbar ist. Vielleicht merkt er aber auch, dass jedes Mal, wenn er (oder sein Kollege Meisner, s.u.) die Nazis als „gottlos“ bezeichnet, er damit Organisationen wie dem IBKA oder der Giordano-Bruno-Stiftung einen Anlass liefert, auf die wahren Verhältnisse hinzuweisen.